Vier von zehn spielen keine tragende Rolle
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K-Tipp 4/2001
28.02.2001
Papier-Tragtaschen im K-Tipp-Test Nässe setzt ihnen am meisten zu
Nur zwei von zehn Papier-Tragtaschen halten auch mit nassem Boden noch gut: Sie reissen erst ab knapp 22 Kilogramm Inhalt. Die schlechtesten jedoch sind nass überhaupt nicht mehr zu gebrauchen.
Thomas Vogel tvogel@ktipp.ch
Freitagabend im Supermarkt: Sie haben soeben Ihren Wochenendeinkauf erledigt und schleppen zwei prall gefüllte Papier-Tragtaschen durch den strömenden Regen zu Ih...
Papier-Tragtaschen im K-Tipp-Test Nässe setzt ihnen am meisten zu
Nur zwei von zehn Papier-Tragtaschen halten auch mit nassem Boden noch gut: Sie reissen erst ab knapp 22 Kilogramm Inhalt. Die schlechtesten jedoch sind nass überhaupt nicht mehr zu gebrauchen.
Thomas Vogel tvogel@ktipp.ch
Freitagabend im Supermarkt: Sie haben soeben Ihren Wochenendeinkauf erledigt und schleppen zwei prall gefüllte Papier-Tragtaschen durch den strömenden Regen zu Ihrem Auto.
Beim Auto angelangt, stellen Sie die Einkaufstaschen hinter das Fahrzeug und durchwühlen Ihre Taschen nach dem Schlüssel. Kofferraum öffnen und die Tüten voll Esswaren hineinhieven geht in einem Schwung, schliesslich wollen Sie so schnell wie möglich ins trockene Auto sitzen.
Doch daraus wird nichts: In der Hitze des Gefechts haben Sie die Tasche zu ruckartig in den Kofferraum stellen wollen. Dabei platzte der Boden des Papiersackes. Statt im trockenen Auto zu sitzen, klauben Sie nun auf dem nassen Boden Ihre Einkäufe zusammen. Fluchend schwören Sie sich, das nächste Mal wieder eine Plastiktüte zu nehmen.
Das jedoch muss nicht sein. Der K-Tipp-Test zeigt, dass es Papier-Tragtaschen gibt, die ihren Zweck auch mit nassem Boden gut erfüllen.
Im Auftrag des K-Tipp untersuchte das deutsche Institut für Produktforschung und Information (ipi) Papier-Tragsäcke aus zehn Schweizer Lebensmittelläden. Nicht im Test berücksichtigt sind Tüten aus dem Jumbo. Grund: Als der K-Tipp im letzten Herbst die Säcke für den Test einkaufte, hatte Jumbo in seinen Grossmärkten nur Plastiktüten im Angebot. «Inzwischen gibt es auch im Jumbo wieder Papiersäcke», versicherte Pressesprecher Peter Stefani.
Eine grosse Hürde mussten die Tragtaschen bei der Prüfung «dynamische Tragfähigkeit» nehmen. Konkret: Ipi füllte die Papier-Tragtaschen mit einem sandähnlichen Granulat. Um einen Papiersack tragenden Menschen zu simulieren, bewegte ein Roboterarm den Sack auf und ab. Kontinuierlich füllte das Labor Granulat nach - bis der Sack riss.
Bereits bei dieser Prüfung fielen die ersten Kandidaten durch.
Die Säcke von Coop und Pick Pay bersten bereits bei weniger als 15 Kilogramm Belastung.
Im Gegensatz dazu die Taschen von Globus und Denner: Bis zu knapp 19 Kilogramm können Sie in diesen Taschen aus dem Supermarkt nach Hause schleppen.
Einigkeit herrscht übrigens beim Preis. In sämtlichen Geschäften zahlte der K-Tipp für die Papiertüte 30 Rappen.
Während freilich Kassierer in kleinen Dorfläden eher mal ein Auge zudrücken und gratis eine Tragtasche mitgeben, gibt es bei Coop oder Migros keine Ausnahmen: Beide Grossverteiler bestätigen, dass die Tasche 30 Rappen kostet, egal für wie viel Geld der Konsument im Geschäft einkauft.
30 Rappen pro Papier-Tragtasche - «aus ökologischen Gründen»
Vorbei sind also die Zeiten, als die Tragtaschen aus Papier noch gratis waren. «Die 30 Rappen hat man aus ökologischen Gründen eingeführt», erklärt Coop-Pressesprecher Karl Weisskopf. «Die Konsumentinnen und Konsumenten betrachteten den Sack als Wegwerfartikel und nahmen bei jedem Einkauf einfach ein paar aus dem Laden mit.»
Keine Freude an diesem Schritt hatte dazumal die Tragtaschen-Industrie. «Der Absatz brach praktisch über Nacht um zwei Drittel ein», erinnert sich Paul Keller, Geschäftsführer der Firma Keller Verpackungen. Inzwischen haben sich die Absatzzahlen erholt; alleine in der Schweiz gehen jährlich zwischen 70 und 80 Millionen Papier-Tragtaschen über die Ladentheke.
Der härteste Prüfpunkt war sicherlich die Tragfähigkeit des nassen Sacks. Dazu tauchte ipi den Boden der Taschen fünf Minuten lang in fünf Zentimeter tiefes Wasser ein.
Vor allem Migros- und Globus-Taschen überzeugten auch mit nassem Boden bei der Tragfähigkeit. Sie hielten Gewichten bis zu 24 Kilogramm stand. Kein Wunder, sind doch beide Produkte mit Formaldehyd-Harzen behandelt.
Konkret: Die Papierfasern sind mit Urea-Formaldehyd behandelt. Das erhöht die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Fasern gegenüber Wasser.
Während jedoch Migros seine Konsumenten darüber im Unklaren lässt, deklariert Globus immerhin mit dem Hinweis: «die wasserfeste Tragtasche».
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Recycling-Werke können behandelte Taschen nur schwer wieder in den Papierkreislauf zurückführen. Grund: «Die Fasern lassen sich nicht mehr vollständig im Wasser auflösen», schreibt die Firma Byland Verpackungen, Lieferantin der Coop-Taschen. Besser für die Umwelt sind also unbehandelte Säcke.
Es geht auch Formaldehyd - Denner und Waro beweisen es
Dass es auch ohne Behandlung geht, beweisen die Produkte von Denner und Waro. Knappe zehn Kilo halten sie mit nassem Boden aus. Teilurteil: «Gut».
Das Waro-Resultat verwundert eigentlich nicht, hat doch der Hersteller dieser Taschen die längste Erfahrung in der Branche. Bereits 1906 meldete die heutige VP Vereinigte Papierwarenfabrik dasPatent aufihren Markenartikel «Handfrei» an.
«Handfrei»war nichts anderes als eine Einkaufstüte mit Henkeln.Die heutige Tragtasche aus Papier war geboren.
Genau dieser Henkel erweist sich aber heute noch als grösster Schwachpunkt. Denn: Beim Prüfen der Tragfähigkeit im trockenen Zustand platzten nicht etwa die Tüten auf; vielmehr rissen die Henkel ab.
Dazu Prüfleiter Karl-Heinz Baumann: «Meist riss erst ein Henkel, dann wurde die Last für den zweiten zu viel. Der riss dann aus der Taschenwand aus.»
Die Henkel mussten zusätzlich in durchnässtem Zustand beweisen, was sie taugen. Vor dieser Prüfung tauchte ipi die Tasche wiederum fünf Minuten ins Wasser, diesmal jedoch mit der Öffnung voran.
Danach zeigte sich, dass die Migros zwar eine wasserfeste Tüte hat, jedoch keine wasserfesten Henkel. Sie hielten sechs Kilogramm Belastung stand, bis sie rissen. Einzig Globus überzeugte hier mit seiner Tasche: Zehn Kilo Belastung trägt sie auch mit durchweichtem Henkel. Noch schlechter als Migros schnitten hier die Taschen von Coop, Spar, Pick Pay und Visavis ab. Alle rissen bei schlappen drei Kilogramm Last. Das ist ungenügend.
Die letzte Prüfung - Durchstossfestigkeit - ist vor allem wichtig, wenn Sie häufig spitze oder kantige Gegenstände herumtragen. In diesem Kriterium punkteten die Volg-, Waro-, Epa- und Coop-Tüten.
Fazit: Wenn Ihnen Stabilität über alles geht, besorgen Sie sich eine Globus-Tasche. Denken Sie aber daran: Sie ist mit Formaldehyd-Harz behandelt. Wenn Sie jedoch umweltbewusst einkaufen möchten, sind Sie mit den Taschen von Denner oder Waro gut bedient.
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Richtig gepackt hält die Tragtasche länger
Sechs Packtipps von Bruno Lobsiger von der Schaffhauser VP Papierwaren Vertriebs AG.
- Achten Sie beim Packen auf einen guten Stand der aufgefalteten Tasche auf einer flachen Unterlage.
- Halten Sie die Tasche nie an einem einzigen Henkel hoch, wenn Sie Waren einfüllen: Der Henkel reisst unweigerlich ab.
- Achten Sie auf eine gleichmässige Verteilung des Füllgutes rechts und links vom Henkel.
- Füllen Sie schwere Sachen unten ein. Stellen Sie Flaschen in die Ecke oder legen Sie sie - sofern sie Platz haben.
- Vermeiden Sie bei gefüllter Tasche ruckartige Bewegungen.
- Füllen Sie die Tasche nicht so, dass sie breiter wird als der Taschenboden.
Die Mär von der guten Papiertasche
Noch immer haftet Papier-Tragtaschen der Ruf an, sie seien umweltfreundlicher als Plastiktüten. Dass dem nicht so ist, bewies das deutsche Umweltbundesamt bereits 1988.
Das Amt hatte die ökologischen Auswirkungen der beiden Produkte verglichen und kam zu folgendem Schluss: Der Wechsel von Polyethylen- zu Papier-Tragtaschen ist aus ökologischen Gründen nicht sinnvoll.
Plastiktüten benötigen bei der Produktion nicht nur weniger Energie als Papiertaschen. Polyethylen (PE) verursacht in der Herstellung auch eine geringere Umweltbelastung als Papier. Dazu kommt, dass die Hersteller von Papier-Tragtaschen kein Altpapier einsetzen können. Lediglich die kleinen Bäckerei- oder Früchtebeutel sind aus Altpapier hergestellt.
Selbst in der Verbrennungsanlage ist die Papiertasche den PE-Taschen punkto Umweltbelastung nicht überlegen; beide sind praktisch unschädlich vernichtbar.