Hausarzt-Versicherung heisst: Wer sich so versichert, muss bei jedem Gesundheitsproblem zuerst zum gewählten Hausarzt. Oder in eine entsprechende HMO-Gruppenpraxis. Für diesen Verzicht auf die freie Arztwahl erhalten Grundversicherte bis 20 Prozent Prämienrabatt.
Hausarzt- oder HMO-Versicherung bedeutet auch: Braucht der Patient die Behandlung durch einen Spezialisten oder ist eine Operation im Spital angesagt, muss der Hausarzt das absegnen – mit einem unterschriebenen Überweisungsformular.
Wer gegen diese Vorschrift verstösst und direkt einen Spezialisten aufsucht, muss mit Sanktionen rechnen: Meist droht ein Ausschluss aus dem Modell auf Beginn des nächsten Monats und damit die Rückstufung in die ordentliche Grundversicherung – mit sofortigem Verlust des Rabatts.
Das musste etwa eine Berner Avanex-Versicherte erfahren. Sie wurde von ihrer Gynäkologin an einen Diabetes-Facharzt überwiesen, weil ein Schwangerschafts-Diabetes drohte. Der direkte Gang zur Frauenärztin war erlaubt (siehe unten), für die Untersuchung beim Diabetologen fehlte aber die Überweisung durch den Hausarzt.
Dieser einzelne Fehltritt genügte der Avanex (sie gehört zur Helsana-Gruppe), um die Frau aus dem Sparmodell auszuschliessen. Immerhin machte die Kasse ihren Schritt rückgängig, nachdem die Versicherte reklamiert und sich der K-Tipp eingeschaltet hatte. Versicherte mit Hausarzt- oder HMO-Versicherung sollten sich also an die Vorschriften halten und die Modalitäten beachten. Sie sind allerdings nicht bei allen Kassen gleich. Das sind die wichtigsten Punkte:
Direkter Gang zum Spezialarzt
Lesen Sie in den Bedingungen nach, in welchen Fällen Sie ohne Überweisung des Hausarztes zum Facharzt gehen können. Beispiel Frauenarzt: Die meisten Kassen verzichten bei gynäkologischen Vorsorgeuntersuchungen und Geburten auf eine Überweisung, bei «allgemeinen gynäkologischen Erkrankungen» hingegen verlangen sie eine. Die Unterscheidung dürfte nicht immer einfach sein. Grosszügigere Kassen hingegen (z. B. CSS, EGK, Visana) machen beim Gynäkologen – je nach Modell – keine Einschränkungen nach Art des «Leidens».
Beispiel Augenarzt: Oft ist der direkte Gang nur für eine jährliche Untersuchung oder fürs Verschreiben von Brillen oder Kontaktlinsen erlaubt – oder bei einer «augenärztlichen Routineuntersuchung» beziehungsweise bei «periodischen Augenkontrollen». Sonst muss man zuerst zum Hausarzt.
Tipp: Sie können eine Überweisung beim Hausarzt auch nachträglich einfordern. Es könnte allerdings sein, dass sich der Hausarzt weigert, wenn Sie dies wiederholt tun. Und fragen Sie Ihre Kasse, wie lange die Überweisung an den Spezialisten gültig ist. Es kann sein, dass Sie nach einem halben Jahr eine neue brauchen.
Übrigens: Wenn Sie innerhalb des Hausarztmodells den von Ihnen gewählten Hausarzt (Gatekeeper) wechseln möchten, ist dies nicht beliebig möglich. Lesen Sie dazu die Versicherungsbedingungen.
Weiterverweisung durch den Spezialisten
Die meisten Kassen verlangen in den Bedingungen sinngemäss: Wenn ein Facharzt den Patienten an einen weiteren Facharzt überweist, muss dies wiederum über den Hausarzt geschehen. Bei der Avanex fehlte dieser Hinweis – und genau in diese Falle tappte die erwähnte Avanex-Kundin aus Bern.
Ausschluss ohne Vorwarnung
Die Avanex schloss ihre Kundin ohne jegliche Vorwarnung gleich nach dem ersten Fehler aus (mit Umteilung in die «normale» Grundversicherung). Andere Kassen sagen, es gebe eine Verwarnung. Der Ausschluss erfolge erst nach wiederholtem Nichteinhalten der Regeln.
Unterschiedliche Sanktionen
Einige Kassen schreiben in ihren Bedingungen, bei Missachtung der Systemregeln erfolge nicht nur die Rückstufung. Vielmehr müsse die versicherte Person den Spezialisten (oder allenfalls den Spitalaufenthalt) ganz oder zur Hälfte selber zahlen, falls dies ohne Segen des Hausarztes geschehen sei (etwa Atupri, CSS, EGK, KPT, Swica, Visana sowie die Helsana-Gruppe mit neuem Benefit-Plus-Modell ab 2011).
Werden Kunden oft zur Kasse gebeten? Einige Kassen sagten dem K-Tipp, sie hätten diese Strafe noch nie angewendet, die anderen gaben zur Anzahl der Fälle keine Auskunft. Bei besonders strengen Modellen (z. B. Compact One, die zur Sanitas gehört) ist sogar ein rückwirkender Ausschluss auf Anfang Jahr möglich.
Betroffene müssen den erhaltenen Rabatt der Kasse zurückerstatten. Und: Es gibt Sparmodelle, die nur für bestimmte Spitäler gelten, bei denen man immer ein Generikum beziehen muss oder bei denen die Versicherten verpflichtet sind, sich an die Anweisungen einer Telefon-Hotline zu halten. Auch hier müssen Fehlbare mit Sanktionen rechnen. Es lohnt sich also, die Bedingungen genau zu lesen. Beachten Sie: Es kann sein, dass die Kasse Leistungen aus einer Zusatzversicherung nicht zahlt, wenn Sie in der Grundversicherung vom vorgegebenen Behandlungspfad abkommen.
Gleiche Regeln beim Telemedizinmodell
Wer zum Prämiensparen ein Telemedizinmodell hat, muss vor jedem Arztbesuch zuerst anrufen. Auch hier gilt: Wer dies versäumt, wird aus dem Sparmodell ausgeschlossen. Das passierte einer Avanex-Versicherten aus Zürich mit einem chronischen psychischen Leiden, die regelmässig zum Psychiater ging. Die Avanex warf ihr vor, nicht jedesmal vorher den Hausarzt informiert zu haben. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Ausschluss nicht gerechtfertigt war.
Dabei zeigte sich: Oft ist in den Bedingungen unklar, was bei chronischen Krankheiten gilt bzw. wie regelmässig Betroffene die Überweisung erneuern lassen müssen. Seit Anfang 2010 schreibt etwa die Helsana-Gruppe, bei chronischen Krankheiten müssten Patienten alle drei Monate die telefonische Gesundheitsberatung kontaktieren. In den früher geltenden Bedingungen stand nichts zu diesem Thema.